Im dritten Gesang der Bhagavad Gita erklärt Krishna dem Arjuna den Yoga des Handelns – und dass er nicht nicht handeln kann. Selbst wenn er nichts tut, handelt er. Paradox, nicht wahr? Durch das Unterlassen der Handlung, handelt er trotzdem. Im Vers 20 des dritten Gesangs wird von Sivananda auch übersetzt: „Janaka und andere erreichten Vollkommenheit wahrlich alleine durch Handeln; auch zum Schutze der Menschen musst du handeln.“
Wie kann das gedeutet werden?
Für mich könnte es folgendes sagen: Wenn du einen Konflikt oder eine Situation siehst, die unangenehm ist, hast du mehrere Möglichkeiten zu reagieren. Du mischst dich ein, du mobilisierst andere, du agierst aus dem Hintergrund, etc., etc. Oder du ignorierst die Ungerechtigkeit und läufst weg. Doch selbst das Ignorieren ist eine Handlung. Selbst das Nichts-Tun ist eine Handlung, weil du damit ein Zeichen für alle Beteiligten setzt. Mit dem Ignorieren signalisierst du, dass der Konflikt ok ist, dass die Ungerechtigkeit ok ist. Denn die anderen Menschen sehen nicht in deinen Kopf hinein, sind unter Umständen auch verunsichert und nehmen den einfachsten Weg – die Flucht, das Ausblenden, das Wegschauen. Somit prägt sich bei allen Beteiligten ein: Du darfst das tun. Der Aggressor darf aggressiv sein. Dem Opfer wird suggeriert, dass solch ein Verhalten normal ist. Den Zuschauern wird bestätigt, dass Nicht-Reagieren richtig ist – und das Opfer selber Schuld.
Dies ist keine Aufforderung zur Konfrontation, zum Kampf, zur Gewalt. Im Gegenteil. Aber nebst der direkten Konfrontation gibt es unzählige andere, welche mit Zivilcourage begangen werden können. Denn ich möchte nicht das Zeichen setzen, dass Sexismus, Respektlosigkeit und Ungerechtigkeit geduldet oder gar akzeptiert werden.
Gedanken von Anna Morf ©